WENDY AND LUCY

WENDY AND LUCY
Ein Film von Kelly ReichardtUSA 200880 min eOV

Teil der Special Reihe WOMEN ON THE RUN

Furioses Fliehen im Film

“You can’t get a job without an address; you can’t get an address without a job.” Die junge job- und wohnungslose Wendy (Michelle Williams) ist auf dem Weg nach Ketchikan, Alaska. Der Sommer lockt jene an, die sich dort durch ‚King Salmon‘ lukrative Jobs erwarten. Mit ein paar Dollar in der Tasche, einem alten Auto und der Hündin Lucy startet sie Richtung Küste.

Als Wendy's Auto in einer kleinen Stadt in Oregon liegen bleibt, fehlt ihr das Geld für die Reparatur. Mittellos und mit dem Ziel, doch noch irgendwie nach Alaska zu kommen, begeht die junge Frau einen Ladendiebstahl. Dann greift der Mechanismus der Ausgrenzung zu und lässt nicht mehr los, als Wendy dabei erwischt wird.

WENDY AND LUCY nimmt sich den Feinheiten von Ausgrenzung, Unterdrückung und Armut an. Die bekannte Geschichte von der mittellosen Suche nach Arbeit wird von feinen Linien und Rupturen durchzogen: Es sind die unscheinbaren Begegnungen und Beziehungen, die das komplexe System von Arm und Reich, das sich um Wendys Leben spinnt und sie immer fester einschnürt, brutal spürbar machen.

Kelly Reichardts Film über eine junge Frau im Abseits spricht die Sprache eines US-amerikanischen Indie-Films der 2000er: zurückhaltende Darbietung, karge Dialoge, in den verwaschenen Farben spiegelt sich die schlichte Zuneigung zur Schönheit des pazifischen Nordwestens wider. Anstatt musikalischer Überladung das Seufzen des Windes in den Bäumen, rhythmische Güterzüge und Lastwägen.

In all der Stille und Zurückhaltung entfaltet sich durch Direktheit eine gnadenlose Klarheit über Solidarität in einer Kultur des Individualismus. Die Straße als Sehnsuchtsort wird abgelöst durch die zermürbende Realität des Spätkapitalismus. Reichardt – ehrlich wie hoffnungsvoll – entwickelt dabei Fragen über die (Un-)Möglichkeiten des Entkommens. 2007 gedreht und 2008 herausgebracht hinterlässt der Film sein Echo in einer Zeit finanzieller Krisen, das bis heute nachklingt.

This brilliant, desperately sad Steinbeckian fable from American director Kelly Reichardt is her third full-length feature - and her first masterpiece.
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