Teil der Special Reihe WOMEN ON THE RUN
Furioses Fliehen im Film
In einer Grube zwischen braunen, kargen Äckern wird im winterlichen Südfrankreich die Leiche einer jungen Frau (Sandrine Bonnaire) gefunden. Zunächst noch namenlos, tut sich nach und nach eine Spur in das Leben der Unbekannten auf. Freigelegt durch die Erinnerungen jener, die der Frau zuletzt begegnet sind, eröffnen sich biographische Fragmente – von der Frau wie von deren Bekanntschaften, Beobachter:innen und Weggefährt:innen.
Autofahrten per Anhalter, Nächte in Zelt, Wohnwagen und der Ruine eines Schlosses, bei Hirt:innen, Liebhabern, in Einsamkeit. In den Wochen ihres letzten Winters treibt Mona Bergeron scheinbar ziellos durch die kalte Winterlandschaft. Nichts erinnert an den Sehnsuchtsort, die Phantasie des Südens. Mona jedoch verkörpert eine andere Imagination: Freiheit. Freiheit, nach der sich gesehnt wird. Die aber auch Angst und Wut, Ablehnung und Ekel auslöst. Die es in einer Welt, in der patriarchale wie kapitalistische Macht und Gewalt allgegenwärtig sind, vor allem aber auch gilt, zu zügeln und gefügig zu machen. „She scares me, because she revolts me.“
Als Erzählerin der Geschichte wird Agnès Varda selbst zu einer Figur des Films – sie ist Schöpferin wie Weggefährtin einer jungen Frau, die niemand richtig zu kennen scheint; die sich dem Bedürfnis einer einfachen Erklärung widersetzt.“I don't know much about her myself. But it seems to me that she came from the sea.”
Varda gestaltet mit VAGABOND (SANS TOIT NI LOI) eines ihrer bekanntesten und bedeutendsten Werke. Bei der 42. Ausgabe des Venice International Film Festivals gewann der Film den Goldenen Löwen. Als feministischer Film des französischen New Wave Cinemas bricht der Film mit einer Fetischisierung des weiblichen Körpers und seziert und hinterfragt patriarchale Blickregime und Gewaltstrukturen. „On the run“ – Mona in ständiger Bewegung, der Film auf der Flucht vor der eigenen Sprache.