THE HEROIC TRIO (35mm)
Teil der Special Reihe NACHTBLENDE
„This movie understands that every scene is better with fog and wind machines, even if those scenes are set inside offices and hospitals.“
Patrick Willems on Letterboxd
Ein Hong Kong Genremix par excellence! Regisseur Johnnie To, der vor allem für männerlastige Gangster- und Cop-Thriller bekannt ist, inszenierte mit seiner frühen Comic-Adaption geballte Frauenpower im wörtlichen Sinn. Unter anderem mit der frisch gekürten Oscarpreisträgerin Michelle Yeoh (EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE) in einer ihrer ikonischsten Rollen.
Die Bevölkerung der Metropole Hong Kong kann von Glück sprechen! Wenn die Polizei nicht mehr weiter weiß – was nicht selten der Fall ist – stehen Thief Catcher, Wonder Woman und Invisible Woman bereit. So auch, als in der Stadt immer mehr Säuglinge auf mysteriöse Weise verschwinden. Dabei hilft nicht unbedingt, dass alle anderen Villains außerdem ihr Unwesen in den von Neonlicht und Nebel durchfluteten Straßen treiben. Halsabschneider, im wörtlichen Sinn. Doch nix gegen den in einer innerstädtischen Parallelwelt lebenden Evil Master, der auf der Suche nach dem nächsten Thronfolger ist…
THE HEROIC TRIO ist Comic fürs Kino, innovativ und radikal in seiner Bildsprache, atemberaubend und maßlos in seinen Action-Sequenzen.
Actiongeladen, stylisch und over-the-top-schrill: Wer mit dem populären Hong-Kong-Kino der 70er- bis 90er-Jahre nicht vertraut ist, findet mit THE HEROIC TRIO ein wildes Potpourri als mögliches Eintrittstor in eine weite und oftmals äußerst lohnende Welt des Genrefilms. Pendelnd zwischen einem Neo(n)-Noir-Hong-Kong voll überforderter Polizisten und Badass-Superheldinnen und dem wie einer von Mario Bava gestalteten Zwischenwelt anmutenden Zuhause des Evil Masters, vereint dieser verrückte Streifen viele Versatzstücke in sich. Die Kämpfe sind in To’scher Manier hervorragend choreographiert, ob mit wuxia-mäßigen Luftsprüngen oder unter Anwendung von Schnellfeuerwaffen. Und absurder Humor, der keinen Halt vor saftigen Tabubrüchen macht, bleibt sicherlich auch nicht auf der Strecke.
Kann der Konflikt in THE HEROIC TRIO als ein feministischer Kampf gegen das sich reproduzierende Patriarchat gelesen werden? Sicher ist jedenfalls, dass er seine Bühne drei der legendärsten, weiblichen Hong-Kong-Actionstars des vergangenen Jahrhunderts überlässt. Während die viel zu früh verstorbene Anita Mui filmisch ihrer Heimatstadt treu blieb, verschlug es Maggie Cheung zum Beispiel durch IRMA VEP von Olivier Assayas auch ins europäische Arthouse. Die gebürtige Malaysierin Michelle Yeoh wiederum macht seit geraumer Zeit das US-amerikanische Blockbuster-Kino unsicher - und man darf gespannt sein, wohin es sie nach dem Erfolg von EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE verschlagen wird.
Das überdrehte Frühwerk von Johnny To gilt längst als moderner Klassiker des Hongkong-Kinos, den man in einem Atemzug mit der legendären CHINESE GHOST STORY nennen darf.
