MON ONCLE

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Mein Onkel | Ein Film von Jacques TatiF 1958116 min OmU

Teil der Special Reihe WERKSCHAU JACQUES TATI

MON ONCLE beginnt in einer Szenerie, die man am ehesten mit „französische Klischeevorstellung einer US-amerikanischen Vorstadt“ beschreiben könnte, auch wenn der Film in Frankreich spielt: Luxuriöse, vollautomatisierte Einfamilienhäuser und viele Autos in strenger Formation, gestresste Angestellte und seltsam gekleidete Hausfrauen, die ihre Fadesse durch übertriebenen Putzzwang kompensieren. In einem dieser Häuser wohnt der kleine Gérard mit seinen Eltern.

Dann geht es auf die andere Seite der Stadt, dorthin, wo Monsieur Hulot wohnt. Natürlich im Dachgeschoss eines alten, mehrstöckigen Mietshauses mit großen Fensterläden, Pflanzen auf den Balkonen und einem dauersingenden Kanarienvogel. Die Connection: Hulot ist Gérards Onkel, der Bruder seiner Mutter und das schwarze Schaf der Familie. Gérard jedoch liebt ihn heiß, der Onkel, der ihn regelmäßig von der Schule abholt, ist seine einzige Ausflucht aus der genormt modernen Vorstadt-Tristesse –unter seiner Aufsicht darf er sich schmutzig machen und anderen Erwachsenen Streiche spielen. Gérards Eltern sind ob des schlechten Einflusses besorgt, und beschließen, Hulot in ihrem Sinne zu „sozialisieren“ – ein Unterfangen, das natürlich nur spektakulär komisch schief gehen kann.

Der Star ist in erster Linie das Dekor.
Jacques Tati, 1966

Die herzliche Menschlichkeit auf der einen Seite, Fortschritt und Technik auf der anderen: Tatis ewiges Thema, das er in MON ONCLE wohl am genüsslichsten ausbreitete.

MON ONCLE, Tatis dritter Langfilm, war sein erster echter Farbfilm – die beiden Vorgänger waren zwar sowohl in Farbe als auch in Schwarzweiß gedreht worden, durch die damals noch sehr experimentelle Farbtechnik liefen allerdings fast nur die Schwarzweißversion in den Kinos. 

MON ONCLE war auch Tatis künstlerisch und kommerziell erfolgreichster Film: 1958 lief er im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes (neben u.a. Richard Brooks’ „The Brothers Karamazov“ und Ernst Marischkas „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“) und gewann dort den Spezialpreis der Jury und den Preis der französischen Filmkritik; im Folgejahr wurde er mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.

(Text: Gini Brenner)

Unforgettably funny, wonderfully observed, and always technically brilliant.
Time Out