Teil der Special Reihe WOMEN ON THE RUN
Furioses Fliehen im Film
Zwischen im Sand verlaufenden Bewerbungsgesprächen und Streitereien mit einer kühlen, fordernden Mutter feiert Hazal ihren 18. Geburtstag. Die Zukunft der jungen Frau wird vor allem von anderen gezeichnet: ihrer deutsch-türkischen Familie und dem ausgrenzenden deutschen Staat. Verschobene Skizzen, die keinen Platz für Hazals Vorstellungen und Wünsche haben. Die junge Frau passt genauso wenig in die Vorstellungen ihres widersprüchlichen Umfeldes wie in die Schlange vor dem Club, von dem sie an ihrem Geburtstag abgewiesen wird.
Konfrontiert mit ständiger Ablehnung, die eigenen Träume verschüttet und schließlich auch des Rechts auf den eigenen Körper beraubt, gerät Hazals Leben eines Nachts außer Kontrolle. Ineinander verhakte Grenzüberschreitungen, wie die Verschiebung tektonischer Platten. In den Trümmern des Erdbebens flieht Hazal Hals über Kopf nach Istanbul - eine fremde Stadt in einem noch unbekannteren Land als zunächst gedacht.
Aslı Özarslans Debutfilm, der im Rahmen der Berlinale 2024 seine Premiere feierte, greift Fatma Aydemirs Roman “Ellbogen” auf und übersetzt diesen in einen Film mit eigenständiger Sprache und Stimmung. Es ist die Geschichte eines Ausbruchs aus dem Würgegriff aus Sexismus und Rassismus im gegenwärtigen Deutschland. Die Flucht, eine Ruptur. Im Spalt, der sich daraufhin öffnet und in den die Protagonistin Hazal eintritt, tun sich Ängste und Gewalt auf, aber auch die Möglichkeit auf Selbstbestimmung. Niemals naiv oder utopisch – aber den Feinheiten entlang ins Extrem aus Ohnmacht und Tatkraft, liefert Özarslan ein Debut, das uns ermutigt nach oben zu schlagen und nach innen weich zu werden.