CRUISING

CRUISING
Ein Film von William FriedkinUSA 1980102 min OV

Teil der Special Reihe NACHTBLENDE

Am 26. August im Gartenbaukino

„But then, at the very end, it did something that equals a knife getting rammed in my stomach.“
dianefnkeaton on Letterboxd


William Friedkin zählte zu den Regisseur:innen, die das Label „Skandalfilm“ nicht nur einmal auf ihr Werk verpasst bekommen haben. Zwischen 1973 und 1980 legte er mit THE EXORCIST, SORCERER und CRUISING diesbezüglich einen ganz schönen Run hin. Auch heute wissen die Filme noch nachhaltig zu verstören, aber ganz klar liegen ihre Qualitäten nicht allein im Schockfaktor.

Zur Kontextualisierung eines schwierigen, aber unbedingt sehenswerten Films steuerte uns Marcus Stiglegger, Filmwissenschaftler und Co-Autor des Buchs Cruising (Liverpool University Press), einen Text bei:

„Als ‚Cruising‘ bezeichnet man in der urbanen schwulen Subkultur das Promenieren in der ‚Cruising-Area‘, meist einem überschaubaren Terrain, etwa nächtliche Parks oder bestimmte Straßenzüge. Der Körper wird präsentiert, die eigene Virilität wird vorgeführt und zur Wahl gestellt, denn das Ziel des ‚Cruisings‘ ist die Allianz mit einem temporären, meist persönlich unbekannten Sexpartner – ein ebenso befreites wie risikoreiches Spiel der reinen Körperlichkeit...

Bereits zur Zeit seiner Dreharbeiten erregte William Friedkins Film CRUISING (1980) Aufsehen in der New Yorker Schwulenszene, da William Friedkin seinen Film großteils an authentischen Tummelplätzen der Lederleute von Greenwich Village mit originaler Statisterie inszenierte. Friedkins Film ist das Bemühen anzumerken, nach einer sozialen Verortung seiner ‚schwarzledernen Engel‘ zu suchen, er stößt jedoch offenbar immer wieder auf eine sorgsam verdeckte Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft, die die Protagonisten dieser Fetisch-Subkultur zwingt, ihr Leben in eine Tag- und eine Nachtseite zu teilen. Ein Leben im stilisierten Inferno scheint nur wenigen möglich zu sein. Lediglich eine Person, die von der Polizei als Spitzel benutzt wird, tritt auch am Tage in ihrer bizarren Veräußerlichung auf: ein lederfetischistischer Transvestit, der durch seine androgyne Präsentation geradezu schizophren zwischen weiblicher Affektiertheit und hypermaskulinem Dominanzgebaren zu stehen scheint.

It's a lurid, twisted film that brings you into its world and completely works you over.
San Francisco Chronicle

Mit außergewöhnlicher physischer Präsenz verkörpert Al Pacino in CRUISING den anfangs etwas überforderten Undercover-Cop Steve Burns – Steve „brennt“ –, der als Lockvogel für den homophoben Serial-Killer dienen soll. Der Zuschauer begleitet ihn in die düster-infernalisch ausgestattete Welt der Leder- und S&M-Bars, zu Fisting-Happenings, „Polizei“-Bällen und ritualisiertem „Cruising“ im Central Park. Mehrere Szenen legen nahe, dass der Polizist nach und nach dieser Faszination für das Morbide erliegt. Er stählt seinen Körper, trägt die Fetische der Dominanz – Lederjacke, Mütze, Motorradstiefel, Ketten – und lässt sich in seiner Funktion als Lockvogel auf schnellen Sex im Stundenhotel ein, wobei er prompt von misstrauischen Kollegen unterbrochen wird. Er gerät zum Außenseiter, wandelt zwischen den Fronten.

In komplex verschlüsselten Sequenzen erzählt Friedkin von Beginn an von der schmalen Grenze zwischen ritualisierter und destruktiver Gewalt. Das stimulierende ‘Psychodrama’ des sadomasochistischen Aktes mündet nahtlos in ein Verbrechen, das von Friedkin zudem mit kurz aufblitzenden Pornofragmenten unterminiert wird. Der Film kreuzt hier explizit den sexuellen und den gewalttätigen Akt – die Penetration mit dem Geschlecht und mit dem Messer – und suggeriert eine sehr problematische Logik, die Homosexualität mit einer ‚Sexualität zum Tode‘ assoziiert. 

In CRUISING, der hierzulande als effekthascherischer Horrorthriller unterschätzt, sogar als schwulenfeindlich abgetan wurde, bedient sich Friedkin der apokalyptischen, ‘modern primitiven’ Ausstrahlung der Lederszene als Allegorie: In modrigen Farben, mit gewohnt dokumentarischer Kühle visualisierte er die sexuelle Bizzarerie als Untersicht der auf Gewalt gegründeten, patriarchalen amerikanischen Gesellschaft. Obwohl er dabei nicht gerade respektlos und letztlich voller Faszination zu Werke geht, kann er jener damals gerade mit Emanzipationsbedürfnissen beschäftigten Randgruppe kaum gerecht werden. Heute kann CRUISING als einzigartiges Dokument einer vergangenen Ära gelten.“

Marcus Stiglegger, Ko-Autor des Buches Cruising (Liverpool University Press)

William Friedkin's CRUISING is a work of art.
Boston Globe

VORFILM: SCORPIO RISING

Ein Film von Kenneth Anger
USA 1963, 28 min

In Memoriam: Kenneth Anger

Ein Meilenstein des Underground-Films und ein ästhetischer Wegweiser für vieles, was folgen sollte. Kenneth Anger war ein "Pionier des experimentellen und schwulen Films." (Der Standard).