NOLAN ANALOG

NOLAN ANALOG
analoge Werkschau Christopher Nolan (35mm // 70mm)

exklusiv im Gartenbaukino

Als er seinen ersten Kriegsfilm „Dunkirk“ vorbereitete, suchte er zusammen mit seinem historischen Berater Joshua Levine die letzten Überlebenden der Schlacht auf, die im Mai und Juni 1940 im Ärmelkanal stattfand. Christopher Nolan wollte nicht nur ihre Erinnerungen an damals festhalten, sondern auch von Ihnen wissen, was in ihren Augen den legendären Dunkirk Spirit ausmacht.

Jeder der Veteranen hatte eine eigene Antwort auf die Frage. Aber eine Definition des Geistes von Dünkirchen beeindruckte Nolan mehr als alle anderen: „Never giving up, even in an impossible situation.“ Dieser Haltung trägt „Dunkirk“ eindrucksvoll Rechnung: niemals aufzugeben, selbst wenn die Situation aussichtslos ist. Nolan horchte wahrscheinlich besonders bei dem Adjektiv auf, das sein Gegenüber benutzte. Denn das Unmögliche zu denken und es dann umzusetzen, ist das einzigartige Mandat dieses Filmemachers. Mit weniger als dem Außergewöhnlichen gibt er sich nicht zufrieden. Mit jedem Projekt stellt er sich und sein Team vor ungekannte Herausforderungen. „Jedes Mal wird es schwieriger als beim letzten, aber gerade das ist der Spaß dabei“, sagt sein Editor Lee Smith über ihre Zusammenarbeit. „Man denkt, einen solchen Film dreht man nur einmal im Leben. Und beim nächsten ist es dann ebenso.“

If you’ve ever been in the booth when the film spills off the reel and onto the floor, you have a very tactile idea of the relentless and frightening passage of time.
Christopher Nolan

Nolan will dem Publikum Dinge vor Augen und Ohren führen, die es so auf der Leinwand noch nicht erlebt hat. Er dreht Blockbuster, die dessen Vorstellungskraft nicht in enge Grenzen weisen, sondern die Phantasie beflügeln. Jeder von ihnen ist eine Absage an die Konventionen der Genres, und jede Einstellung in ihnen eine Absage an die Gediegenheit. Seit gut einem Vierteljahrhundert arbeitet er unermüdlich daran, das Staunen wieder ins Kino zurückzuholen. Insgeheim dreht er im Mainstream Experimentalfilme: über die Identität („Memento“), die Erinnerung („Inception“), den Raum („Interstellar“) oder den Ton („Tenet“); in seinem gesamten Werk verschlingen sich die Zeitebenen auf raffinierte Weise. Aber weil seine Arbeiten so verflixt packend und zugänglich sind, merkt das niemand.

Solch visionäre Kühnheit muss auf festem Boden gründen. Das Filmemachen ist für Nolan gewissermaßen ein Familienunternehmen. Seine Frau Emma Thomas hat fast alle seiner Filme mitproduziert, sein Bruder Jonathan fungiert oft als sein Co-Autor. Manchmal lässt er gar eines seiner vier Kinder in kleinen Rollen auftreten. Ansonsten wahrt er Schweigen über sein Privatleben. Von ihm ist kaum mehr bekannt, als dass er 1970 als Kind anglo-amerikanischer Eltern geboren wurde. Seine amerikanische Mutter arbeitete als Stewardess und Lehrerin, sein britischer Vater war in der Werbebranche tätig, wo zu seinen Auftraggebern der spätere Regisseur Ridley Scott gehörte. Dessen frühe Meisterwerke „Alien“ und „Blade Runner“ sollten einst Christophers Wunsch wecken, selbst Regisseur zu werden. Seine ersten Filme drehte er mit der Super-8-Kamera seines Vaters. Dem Zelluloid hält Nolan bis heute die Treue und gehört zu den allerletzten Filmemachern, die noch analog auf 35mm-, am liebsten auf 70mm- Material drehen.
Den Stab seiner Mitarbeiter wechselt er seit 25 Jahren kaum aus; Schnitt, Szenenbild etc. lässt er in bewährten Händen, bei der Kamera hingegen bevorzugt er serielle Monogamie (zuerst Wally Pfister, nun Hoyte van Hoytema). Nolan hat eine stock company an Darstellern um sich geschart: Christian Bale, Cillian Murphy und Tom Hardy; Michael Caine fehlt in kaum einem Film. In dieser Zeit ist er seinen Themen treu geblieben: der Duplizität der menschlichen Natur; dem Kampf zwischen Ordnung und Chaos; der Logik des Phantastischen.


Dan Winters/Nolan

So ist Nolan zu seinem eigenen Markenzeichen geworden. Ihm ist gelungen, was in seiner Generation nur Wes Anderson und Quentin Tarantino schafften: Er ist, trotz der stets hochkarätigen Besetzungslisten, der eigentliche Star seiner Filme. Kommerziell spielt er freilich in einer etwas anderen Kategorie als seine zwei Kollegen; bislang haben seine Filme rund fünf Milliarden Dollar eingespielt. Nolan ist ein Autorenfilmer, dem die Hollywoodstudios schwindelnd hohe Budgets anvertrauen. Mit ihnen dreht er spektakuläre Filme, die einen intimen, persönlichen Kern haben. Sie sind Puzzles, die nur er und sein Gegenüber im Kinosessel zusammensetzen können: Blockbuster-Kino für Eingeweihte.

Text: Gerhard Midding

In Kooperation mit movie-hunters.com

Breaking rules isn’t interesting. It’s making up new ones that keeps things exciting.
Christopher Nolan

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