PLAYTIME (70mm)

© Studiocanal
Tatis herrliche Zeiten | Ein Film von Jacques TatiF/I 1967125 min DF 70mm

Teil der Special Reihe SCHINKEN

TATI! ENCORE! — Historische 70mm-Erstaufführungskopie als SCHINKEN-Matinee

PLAYTIME, das Opus Magnum von Jacques Tati, wurde passenderweise auf 70mm-Breitfilm gedreht, eine der wenigen französischen Produktionen in diesem Format. Dabei ging es Tati weniger um die Möglichkeiten, die ein potenziell breiteres Bild mit sich gebracht hätte, sondern vielmehr um das Potenzial des Magnet-Tons, der bei 70mm gleich sechs eigenständige Tonspuren ermöglichte, von denen Tati letztendlich nur die fünf vorderen, hinter der Leinwand befindlichen Kanäle verwendete.

Dieses Layout ermöglichte dem immer an technischer Innovation interessierten Tati eine gezieltere Platzierung und „Bewegung“ der Sprache, der Musik und der Effekte – der Ton folgt oft dem Weg der Figuren, manche Stimme kommt aus dem Off, das Klopfen von links, die Musik von rechts. Bis am Ende alles in glorioser 5-Kanal-Dissonanz eskaliert!

PLAYTIME wird nur selten mit dieser originalen Tonspur gezeigt und ist in keinem Home-Viewing-Format so erhältlich. Und überhaupt sind die 70mm-Kopien dieses Films selten und immer schwerer zu bekommen, weshalb wir auch während unserer famosen Retrospektive im Juli darauf verzichten mussten.

 Nun möchten wir dies aber nachholen!

Ich bin überhaupt nicht gegen die moderne Architektur, aber ich glaube, dass man nicht nur eine Baugenehmigung benötigen sollte, sondern auch eine Wohngenehmigung.
Jacques Tati, 1972

Im Archiv des Filmarchivs Austria befindet sich eine Erstaufführungskopie von PLAYTIME, die in spielbarem Zustand ist – übliche Kratzer, Gebrauchsspuren und generelle Empfindlichkeit inklusive. Jedoch hat das Schicksal der meisten Filmkopien aus dieser Zeit (nämlich jene, die nicht im Technicolor-Verfahren kopiert wurden) auch diese Kopie von PLAYTIME ereilt: der sogenannte Rotstich (im englischen etwas korrekter als „colour fading“ bezeichnet), der sich durch den Abbau gewisser Farbstoffe im Laufe der Jahrzehnte einstellt und vornehmlich Magenta als Farbe zurücklässt.

Wir zeigen diese historische 70mm Kopie im vollen Bewusstsein dieser „Schönheitsfehler“, die jedoch unserer Meinung nach dem Genuss des Films, mit seiner grandiosen Bildsprache und der obig erwähnten Tongestaltung, in keinster Weise trüben sollten. 

Und wir hoffen natürlich, dass diese kurze Erläuterung bei der Entscheidung hilfreich ist, dieses „Tati Encore!“ zu besuchen und somit gleich in vielerlei Hinsicht Film- und Kinogeschichte zu erleben.

© Studiocanal

Inhalt

Ein Labyrinth aus Stahl, Glas, Rolltreppen und Aufzügen, darin verloren ein verwirrter großer Mann mit hängenden Schultern, Regenmantel, Hut, Hochwasserhosen und gestreiften Socken: Monsieur Hulot, wer sonst. Paris ist in dieser modernen Gegenwart nicht mehr die Stadt der Liebe, wie wir sie kennen, sondern die Stadt der Geschäftigkeit, kühl, abweisend, modern.

Hulot muss aber auch in dieser feindlichen Welt der harten Oberflächen überleben, also braucht er eine Arbeitsstelle. Dafür muss er sich mit einem gewissen Monsieur Giffard treffen, einen der vielen wichtigen Typen in einer der vielen Firmen in einem der vielen Hochhäuser. Doch durch ständige Tati'sche Zufälle bleibt Giffard unauffindbar, Hulot irrt verloren durch die rechtwinkelige Gegend – und trifft auf seiner verwordakelten Heldenreise auf ein paar Menschen, die seinem Abenteuer vielleicht doch zu einem unerwarteten Happyend verhelfen.

Die Hybris kommt vor dem Fall: Mit seinem für damalige Zeiten unglaublich aufwändig produzierten Herzensprojekt PLAYTIME wollte sich Jacques Tati über die dräuende Zukunft lustig machen – und übersah dabei völlig, dass er längst von der Gegenwart überholt worden war. Das Publikum war not amused, das Gesetz des „Warum soll ich mir das anschauen wollen?“ darf nun mal nicht gebrochen werden. Die Folge war ein Bauchfleck von epischer Größe, der Film wurde zwar von der Kritik hoch gelobt, war aber ein kommerzieller Misserfolg, Tati hatte ein riesiges Budget in den Sand gesetzt und sich schwer verschuldet.

Heute jedoch gilt der Film trotz allem als Kino-Meilenstein, und das definitiv nicht zu Unrecht. Die eigenartig angespannte, von sehr wenig Dialog und vielen ihrer Banalität beraubten Alltagsgeräuschen getragene Atmosphäre war Inspiration für viele nachfolgende Filmemacherinnen, und vor allem die Ausstattung ist legendär: PLAYTIME wurde in „Tativille“ gedreht, einem eigens am Pariser Stadtrand errichteten Riesen-Set mit mehreren Hochhäusern, einem eigenen Kleinkraftwerk und teilweise funktionierender Infrastruktur.

Tativille, ein echtes Meisterwerk modernistischen Designs, wurde nach den drei Jahre lang dauernden Dreharbeiten auf Geheiß des damaligen französischen Kulturministers André Malraux abgerissen. Ein Drama, aber vielleicht auch Tatis späte Rache für das ausbleibende Kinopublikum beim Filmstart: Wer heute Tativille sehen will, die muss sich seinen Film anschauen.

(Text: Gini Brenner)



My all-time favorite movie, this 1967 French comedy by actor-director Jacques Tati almost certainly has the most intricately designed mise en scene in all of cinema.
Jonathan Rosenbaum, Chicago Reader