ab 30. Mai 2024 im Gartenbaukino
Elizabeth Berry, Schauspielerin, recherchiert ihre nächste Rolle: eine Frau, die 23 Jahre zuvor für einen handfesten Skandal sorgte: Gracie, vierfache Mutter, 36 Jahre alt, wird beim Sex mit dem 13-jährigen Joe erwischt. Womöglich noch skandalöser: nach Verbüßung ihrer Haftstrafe gründet die mittlerweile Geschiedene mit dem inzwischen Herangewachsenen eine zweite Familie. Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende … Was für ein Filmstoff!
Es dauert nicht lange, bis sich Elizabeth, von Gracie und Joe freundlich aufgenommen, in sumpfigem Gelände wiederfindet. Denn dem Altersunterschied - der mit dem Filmtitel umschrieben ist - wohnt ein Machtgefälle inne. Rosa-romantische Vorstellungen platzen wie Seifenblasen, während gelb-giftige Fragen aufsteigen: Missbrauch? Verführung? Fahrlässigkeit? Naivität? Psychotische Triebenergie? Manipulation? Egoismus?
Das oscarnominierte Drehbuch von Samy Burch und Alex Mechanik verarbeitet was 1996 tatsächlich geschehen ist und den TV-Film ALL-AMERICAN GIRL: THE MARY KAY LETOURNEAU STORY (Lloyd Kramer, 2000) anstiftete. Marcelo Zarvos‘ Musik - Adaption des Scores von THE GO-BETWEEN (Joseph Losey, 1971), der von nicht-standesgemäßer Liebe in der englischen Provinz handelt - setzt unverhohlen melodramatische Kontrapunkte zur verhaltenen Inszenierung. Die wiederum Haynes in Hochform zeigt: aufeinander getürmte (Meta-)Ebenen, ineinander verschränkte Spiegelungen, selbstreflexive Genre-Splitter und mittendrin zwei Schauspielerinnen, die Frauen spielen, die anderen, einander und nicht zuletzt sich selbst etwas vorspielen.
Solcherart geht MAY DECEMBER den Verhältnissen auf den Grund, verwirrt, was klar schien, lässt Fassaden bröckeln, schaut hinter die Kulissen und schält aus dem Knäuel der Gefühle und Beziehungen allmählich die Ambivalenz als existenzielle Konstante heraus. Und einmal mehr behauptet sie ihr ewiges Recht.