Monatelang durften die Darsteller nicht ohne seine Erlaubnis in Urlaub fahren oder zum Friseur gehen. Anschlussfehler wollte sich Nolan in seinem Langfilmdebüt nicht erlauben: schon damals ein Perfektionist! „Following“ entstand im Verlauf von einem Jahr und kostete $6000. Das Team bestand aus Freunden und Verwandten, die Wohnung der Eltern diente als Drehort und die Schreibmaschine, die der Protagonist benutzt, war ein Geschenk des Vaters, auf dem auch das Drehbuch entstand. Die Requisiten, das stellt Nolan gleich in der ersten Einstellung klar, sind wichtig in diesem Film.
Denn der verkrachte Schriftsteller (Co-Produzent Jeremy Theobald trat bereits in Nolans Kurzfilmen auf), der Passanten zu Studienzwecken wie ein Schatten folgt, gerät unter die Fittiche eines Einbrechers (Alex Haw). Mit einem Blick auf die Einrichtung erkennt er, wie die Menschen gestrickt sind, die hier wohnen. Der erste Doppelgänger und zugleich erste Mentor in Nolans Werk. Und ein erstes Spiel mit Regeln (der Schatten folgt jedem Passanten nur einmal), falschen Spuren (nichts ist, wie es scheint) und verschiedenen Zeitebenen (schon ziemlich verschlungen für einen Film, der nur 69 Minuten dauert). Was für eine Visitenkarte!
In kontrastreiches Schwarzweiß getaucht, gibt „Following“ sich als raffinierte Film-Noir-Etüde zu erkennen. Die blonde Femme Fatale (Lucy Russel, die bald mit Éric Rohmer, Terry Gilliam und Francois Ozon drehen sollte) scheint geradewegs aus Raymond Chandlers „Der tiefe Schlaf“ zu stammen. Der Gentleman-Einbrecher stiehlt nicht nur Wertsachen, sondern auch Identitäten. Er liest in seinem Schüler wie in einem Buch. Das Drehbuch weist Nolan als gewieften Fallensteller aus. Aber wie diese dann am Ende zuschnappt, verblüfft selbst ausgefuchste Noir-Kenner.
Text: Gerhard Midding
In Kooperation mit movie-hunters.com