THE DAY OF THE LOCUST (4K)
Teil der Special Reihe NACHTBLENDE
Termine* Normalpreis € 11,50.-
* Kino von Welt Abos gültig
* nonstop Kinoabo gültig
„Chinatown for the gays“ Liz on Letterboxd
Hollywood, Ende der 1930er. Tod Hackett (William Atherton), Yale-Absolvent mit dem Ziel künstlerischer Verwirklichung vor Augen, landet in der Traumfabrik, um Kulissen zu zeichnen und findet sich bald in einem surrealen Mikrokosmos aus gescheiterten Existenzen, bröckelnden Fassaden und grotesken Sehnsüchten wieder. Im San Bernardino Arms, einem abgehalfterten Apartmentkomplex, begegnet er Faye Greener (Karen Black), einer Schauspielerin mit mehr Ambition als Talent, ihrem abgehalfterten Vaudeville-Vater Harry (Burgess Meredith), dem menschlichen Fußabtreter/Buchhalter Homer Simpson (Donald Sutherland) und einer Parade weiterer Randfiguren, die alle auf den großen Durchbruch hoffen – oder zumindest auf ein bisschen Glanz, bevor alles in sich zusammenfällt.
Was als leise Beobachtung beginnt, kippt langsam in eine fiebrige Vision von Gewalt, Wahnsinn und kollektiver Hysterie. Schlesinger inszeniert den Untergang dieser Hollywood-Illusion als barockes Endzeitgemälde, in dem jede Figur zur entsetzlichen Karikatur ihrer eigenen Träume wird. Der Film kulminiert in einem apokalyptischen Mob, und einem Moment, der sich tief ins Zelluloid brennt und die Frage stellt, ob der amerikanische Traum nicht längst zum Albtraum mutiert ist.
The Day of the Locust […] is less a conventional film than it is a gargantuan panorama, a spectacle that illustrates West's dispassionate prose with a fidelity to detail more often found in a gimcracky Biblical epic than in something that so relentlessly ridicules American civilization.
Der Britische Regisseur John Schlesinger, der mit Midnight Cowboy bereits die Schattenseiten des amerikanischen Mythos ausgelotet hatte, widmete sechs Jahre seinem Herzensprojekt Day of the Locust – und wusste von Anfang an, dass es kein Publikumsliebling werden würde. Der Film basiert auf Nathanael Wests gleichnamigem Roman von 1939, einem der düstersten Texte der Moderne. Wests Blick auf Hollywood ist gnadenlos: kein Glamour, keine Erlösung – nur die Leere hinter der Maske und die Gewalt, die aus enttäuschten Hoffnungen wächst.
Schlesinger überträgt diese literarische Bitterkeit mit visueller Opulenz und grotesker Zuspitzung ins Kino. Die Bilder von Kamera-Legende Conrad Hall fangen die Dekadenz und den Verfall in satten Farben und verstörenden Kompositionen ein, während John Barrys Musik zwischen Pathos und Ironie pendelt. Die Figuren – allen voran Donald Sutherland als Homer – sind keine Helden, sondern tragische Spiegelbilder einer Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr erträgt.
Der Roman wie der Film sind keine leichte Kost. Beide verweigern sich dem klassischen Erzählbogen und setzen stattdessen auf Fragmentierung, Überzeichnung und moralische Ambivalenz. Hollywood nicht als Ort der Träume, sondern als Schlachtfeld der Illusionen. Man genießt Day of the Locust nicht, man überlebt ihn.
Text: Otto Römisch