GIRLFRIENDS
Teil der Special Reihe FEMINIST FRAMES
Nach dem Film spricht Kuratorin Julia Pühringer mit Dramaturgin, Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Kathrin Resetarits über Drehbuchstrukturen und Erzählformen: Wie können Filme gebaut werden, damit andere Geschichten, neue Perspektiven möglich sind?
Termine* Normalpreis € 10,50.-
* Kino von Welt Abos gültig
* nonstop Kinoabo gültig
Eine Hochzeit ist kein Happyend: Die junge Fotografin Susan Weinblatt (Melanie Mayron) teilt sich mit ihrer besten Freundin Anne Munroe (Anita Skinner), einer jungen Autorin, eine Wohnung im New York der späten Siebzigerjahre. Susan fotografiert Hochzeiten, Babys, Bar Mitzwas und träumt davon, ihre Fotos in einer richtigen Galerie auszustellen. Sie ist verschaut in einen älteren Rabbi (Besetzungscoup: Eli Wallach). Als Anne ihre bevorstehende Hochzeit ankündigt, ist das ein großer Schlag für Susan: Sie verliert nicht nur ihre beste Freundin, sondern muss nun auch die Wohnung in New York allein finanzieren. Susan bekommt ihre erste eigene Ausstellung – Anne wird dadurch bewusst, wie sehr sie ihre eigene Unabhängigkeit vermisst, sie hat inzwischen ein kleines Kind, ihr Ehemann unterstützt sie in ihren beruflichen Ambitionen nicht. Und doch hat dieser Film ein Happyend – es ist nur keine Hochzeit.
Ein Film wie eine beste Freundin:
„I wanted to see somebody like me in the movies”, sagt Claudia Weill einmal: Sie wollte einen Film über den Sidekick in romantischen Komödien machen, also jenes Mädchen, das mit der Protagonistin des Films, die am Ende heiratet, befreundet ist – die, die ihr eigenes Leben hat, oft lustig ist, gern unkonventionell, nicht so hübsch, manchmal jüdisch, manchmal nicht weiß. Entstanden ist ein Coming-of-Age-Film, wie wir ihn großteils nur mit struggelnden jungen Männern kannten – hier rauchen Frauen am Tresen und verhandeln dabei nicht weniger als ihre Zukunft, in jener Lebensphase, wo man davon noch keine richtige Ahnung hat, obwohl man schon mittendrin steckt.
Girlfriends is a unique experience.
Heute ist „Girlfriends“ ein „touchstone of American independent filmmaking” – derweil im Filmkanon hauptsächlich männliche Vertreter des Indie-Kinos Aufnahme fanden, war Susan Seidelman „Smithereens“ (1982) der erste US-Indie-Film, der im Wettbewerb von Cannes lief. Und Claudia Weill, die eigentlich Geschichte studiert hatte und über einen Sommerjob zum Film kam, war die erste Regisseur*in überhaupt, die einen US-Indie-Film mit Förderungen finanzierte. So konnte sie ihre Freundin Vicki Polon für das Drehbuch bezahlen. Weill musste später den Dreh immer wieder unterbrechen, um privat Finanzierungen aufzustellen. Die Darsteller*innen trugen ihre eigene Kleidung und aus einem 30-Minüter wurde ein Langfilm, den Warner Bros. in den Verleih nahm. „Girlfriends“ hatte in Rotterdam Premiere und lief beim Filmfestival in Cannes. Danach drehte Weill „It's My Turn” mit Jill Clayburgh, Michael Douglas, und Charles Grodin, geschrieben von Eleanor Bergstein of „Dirty Dancing“-Drehbuch-Fame, die Arbeit mit dem Filmproduzenten, der vor dem rein männlichen Team ständig ihre Kompetenz in Frage stellte und heimlich einen zweiten Schnitt fertigstellen ließ, ließ sie der Branche enttäuscht den Rücken kehren. So wollte Weill nicht arbeiten, „in the hotbed of misogyny that was Hollywood at the time”.
Weill war nach Dorothy Arzner und Ida Lupino die dritte Frau, die im „Directors' Executive Committee for the Academy of Motion Picture Arts and Sciences” aufgenommen wurde. Sie unterrichtete u.a. in Harvard, Juillard, Cal Arts, Columbia und am Sarah Lawrence College und schuf so ihre Legacy (etwas, das in Österreich für Regisseurinnen über lange Zeit völlig unmöglich war).
Text: Julia Pühringer
Kathrin Resetarits
arbeitet als Autorin, Dramaturgin, Regisseurin, Schauspielerin, lebt in Wien.
Seit 2000 künstlerische Assistentin für Michael Haneke.
Unterrichtet an der Filmakademie Wien im Fachbereich Drehbuch und Dramaturgie, Gastdozentin an der DFFB Berlin, der ZHdK Zürich und anderen Hochschulen. Vorträge und Workshops zum offenen bzw. konstellativen Erzählen für Filmemacher*innen in Österreich und Deutschland.
Gründungsmitglied von FC GLORIA Frauen Vernetzung Film