Teil der Special Reihe SADFEST.
Selma Ježková: I’ve seen it all, I have seen the dark, I have seen the brightness in one little spark.
Selma, eine tschechische Einwanderin in den USA der 1960er Jahre, leidet an einer erblichen Augenkrankheit, die sie langsam erblinden lässt. Heimlich spart sie ihr karges Fabrikarbeiterinnengehalt, um ihrem Sohn eine Operation zu ermöglichen – und ihn derselben Krankheit entkommen zu lassen, die sie selbst nicht aufhalten kann. Ihre Realität wird zunehmend von musikalischen Tagträumen durchbrochen, in denen das Stampfen der Maschinen und das Klackern der Welt zu orchestrierten Choreografien werden.
Was beginnt wie ein empathisches Sozialdrama, verwandelt sich nach und nach in eine Tragödie von nahezu biblischer Härte. Das Musicalhafte steht in radikalem Kontrast zur wackligen Digitalkamera-Ästhetik und betont gerade dadurch die Künstlichkeit des Glücks, das sich Selma so verzweifelt imaginiert.
I was astonished to find myself weeping copiously over von Trier's latest, which is another parable of monomaniacal sainthood.
DANCER IN THE DARK markiert den Abschluss von Lars von Triers „Golden Heart Trilogy“ (nach BREAKING THE WAVES und THE IDIOTS) und war bereits bei seiner Premiere in Cannes ein Ereignis: Goldene Palme für den Film, Beste Darstellerin für Björk – und ein beispielloser Disput zwischen Jurypräsident Luc Besson und Triers Anhängerschaft. Gedreht mit dutzenden digitalen Kameras, meist gleichzeitig und statisch aufgestellt, unterläuft der Film gezielt traditionelle Sehgewohnheiten.
Björk, die sich nach dieser Rolle für über 20 Jahre nicht mehr als Schauspielerin für Spielfilme engagieren ließ, komponierte den Soundtrack selbst. Ihre Darstellung gilt bis heute als eine der intensivsten im zeitgenössischen Kino. Von Triers dekonstruktivistischer Zugang zum Musical-Genre stieß ebenso auf Verehrung wie Ablehnung, festigte aber seinen Ruf als radikaler Formalist mit Hang zur Grausamkeit.
DANCER IN THE DARK bleibt ein singuläres Werk – formal kühn, emotional kompromisslos, thematisch zutiefst politisch. Wer ihn ein zweites Mal sieht, weiß, was ihn erwartet – und sieht ihn trotzdem. Vielleicht, weil man die Dunkelheit nicht bannen kann, aber lernen kann, in ihr zu hören.
