BREWSTER MCCLOUD

BREWSTER MCCLOUD
Ein Film von Robert AltmanUSA 1970105 min eOV

Teil der Special Reihe MANY VOICES - 100 JAHRE ROBERT ALTMAN

The Lecturer: Man, incontestably the most advanced creature, has only to observe the flight of birds to realize the weight of the earth's imprisonment. And so, the desire to fly has been ever-present in the mind of man. But, the reality has been long in coming.


Unter Houstons Astrodromes, einem Riesenstadion megalomanen Ausmaßes, lebt der zurückgezogene Brewster McCloud (Bud Cort) in einem Atomschutzbunker. Er arbeitet dort sowohl an einer Flugmaschine als auch an seinen Muskeln, mit deren Hilfe er diese betätigen soll. Er will erreichen, was keinem bisher geglückt ist, aber seit Menschheitsbeginn erträumt wird: ohne fremdmotorische Hilfe zu fliegen.

Bei diesem Vorhaben sind dem Aviatikbesessenen die tumbe Exekutive, esoterische Groupies, eine Mensch gewordene Vogelmama, eine Mordserie, deren verbindendes Element Vogelschiss ist, sowie - wie könnte es anders sein - die Schwerkraft hinderlich. Wer der Geschichte nicht ganz zu folgen vermag, hält sich am besten an den ornithologischen Erzähler (der selbst immer mehr Objekt seiner Wissenschaft zu werden scheint) oder ergibt sich einfach diesem flatterhaften Meisterwerk und seiner rhythmischen Anziehung.

An Altman film, if two can make a genre, appears to be more of a mood than a story. This rarely works, but it does for him.
George Siskel, Chicago Tribune

Nach dem enormen künstlerischen und kommerziellen Erfolg von M*A*S*H, rissen sich die Studios um Altman. Man bewarf ihn zur Lockung förmlich mit Geld. Doch was der Auteur wollte, bekam er bei MGM: einen Blankoscheck für sein nächstes Projekt und keine Einmischungen der Anzugträger. Das Ergebnis ist eine filmische Stimmungsreise, die vom Daidalos/Ikarus Mythos über Goethe bis hin zum Zauberer von Oz reicht und so voller phantastischer Ideen, origineller Querverweise und wundersamer Sonderbarkeiten ist, dass einem schwindlig werden kann.

Ein stimmiger Plot oder eine bewährte Erzählstruktur interessierten den Regisseur dabei so wenig wie der daraus resultierende Misserfolg an den internationalen Kassen und die durchmischten Kritiken. Seine ergebene Fangemeinde fand BREWSTER MCCLOUD erst lang nach dem Kinostart, über Kinematheken und retrospektive Wiederentdeckungen. Dass es sich um ein Schlüsselwerk im frühen Schaffen Altmans und eine regelrechte Zäsur in seiner erzählerischen Unabhängigkeit handelt, dürfte heute unumstritten sein.


Text: Otto Römisch