THE JUNIPER TREE

THE JUNIPER TREE
Ein Film von Nietzchka KeeneIsland 199079 min eOV

Teil der Special Reihe NACHTBLENDE

Nachtblende: WITCHES AND STITCHES

“ASMR / Icelandic Witch Sings and Whispers Her Spells to You (Personal Attention, Soft Speaking, Relaxing Nature Sounds, Assorted Bjork)” alex on Letterboxd


Eines der unbekannteren, doch grausamsten Märchen der Gebrüder Grimm - eingebettet in die mystische Atmosphäre isländischer Landschaft und getragen von Björks magischer erster Kinorolle: ein traumwandlerisches Filmgedicht, dessen unheimliche Stille Düsteres beschwört…

Nachdem ihre Mutter als Hexe gesteinigt und verbrannt wurde, sind die Schwestern Katla und Margit auf der Flucht. Inmitten der kargen Vulkanlandschaft Islands finden sie Unterschlupf bei dem Witwer Jóhann und dessen Sohn Jónas. Während Katla Jóhann mit einer Verzauberung an sich bindet, freunden sich Jónas und Margit in ihrer geteilten Trauer über den Verlust ihrer Mütter an. Doch die neu aufgebaute Sicherheit gerät ins Wanken, als Jónas auf das Übernatürliche aufmerksam wird, das die beiden Schwestern umgibt.

THE JUNIPER TREE is a plein-air wonder ripe for rediscovery.
Slant Magazine

Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass Märchenwelten oft Matriarchate sind, in denen Väter traditionell verantwortungslos oder abwesend sind. Die Macht, die Frauen, Hexen und vor allem Stiefmüttern darin zuteil wird, ist jedoch meist eine dämonische. Nietzchka Keenes Adaption des zutiefst verstörenden Grimm-Märchens „Von dem Machandelboom“ verleiht diesem Motiv einen feministischen Twist, ohne dabei seine düstere Seite außer Acht zu lassen: In einer Welt, die ihresgleichen ausgrenzt und verfolgt, nutzt die Hexe ihre Macht fürs schiere Überleben. Dass in Island zur Zeit historischer Hexenverfolgungen jedoch vorwiegend Männer verfolgt wurden, wusste auch Keene. Viel eher wird die karge, windgepeitschte Landschaft Islands zu einem Ort, in dem die gelebte Realität von Frauen jenseits von Raum und Zeit nachvollziehbar wird und in dem es ein Leichtes ist, sich zu verlieren: Getragen von ätherischen Klängen und Björks magischer Stimme wirken selbst gruseligste Folklore-Reime verzaubernd — fast so, als ob auch Film einen spannungsgeladenen und nicht ungefährlichen Bann über einen legen würde.

THE JUNIPER TREE ist ein durchwegs außergewöhnliches Stück Filmkunst: Wenn auch oft eher als hidden gem behandelt (was auch daran liegen mag, dass Nietzchka Keene schon 2004, nach ihrem erst zweiten Langfilm, verstarb) gilt er als Inspiration für viele spätere Werke, wie z.B. Robert Eggers THE VVITCH oder THE LIGHTHOUSE. Nicht verwunderlich also, dass Björk in Eggers NORTHMAN als augenlose Hexe zurückkehrt. So gesehen ist THE JUNIPER TREE auch eine wunderbare Überbrückung der Wartezeit für Eggers für 2024 angekündigten NOSFERATU.

(Text: Martina Genetti)

It’s as though Keene amputated the moral from the parable that grew it, decapitating an outdated fairy tale in order to hide a secret message in the stitching when she sewed the head back on. The result is a film that’s dark and delightful and ripe for rediscovery.
David Ehrlich, IndieWire